Ausstellung PADHI FRIEBERGER

das boot, das bett und der rest des himmels

Rare Relikte oder der Hauch des Flüchtigen im Werk von

Padhi Frieberger (1931-2016)

Boot, 80er Jahre, Materialobjekt
“und und und”, o.J., Acryl auf Leinwand
Telefon, o.J., Objektcollage


kuratiert von Elisabeth Foissner und Annette Tesarek

“die Ohnmächtigen verbeugen sich immer vor der Vergangenheit”, 80er Jahre, inszenierte Fotografie
“Summer of Love“, Portrait Padhi Frieberger, 1972, inszenierte Fotografie, Foto: Marcel Houf
“Am Ball bleiben und reich werden”, 1990, inszenierte Fotografie, rückseitig collagiert


Ausstellung
unter Ausschluss der Öffentlichkeit

online seit dem 24.03.2020


Die GALERIE Himmelpfortgassse 22, 1010 Wien hat diese im Kunstmagazin PARNASS/ März 2020 angekündigte Ausstellung unmittelbar nach Aufhebung der aktuell gültigen Verordnung der Österreichischen Bundesregierung von 25.06. bis 31.08.2020 in der GALERIE realisiert.

Angeregt durch Peter Noever, der eigens zu dieser Ausstellung einen Text über Padhi Frieberger verfaßt hat, wird diese Werkschau über die allgemein übliche Online-Präsentation hinaus tatsächlich zum angekündigten Termin stattfinden, wenn auch ohne Publikum.

Ganz im Sinne von Padhi Frieberger, der Menschenmassen mied, findet die Eröffnung ohne Besucherinnen und Besucher statt. Nach “Ohne Künstler keine Kunst”, dem Titel der Ausstellung im MAK von 2007 und dem geflügelten Spruch “Padhi kommt nicht” und, ganz im Gegensatz zu “The Artist is Present”, kann sich Padhi posthum über eine Ausstellung ohne Menschen freuen.
Somit wird der Ausstellungsraum zum Imaginieren für Padhis Philosophie und seine Poesie. Damit bewegen wir uns in einem Metaraum, einer poetischen Blase, die Padhi, der ewig unangepasste Rebell mit Genuss fütterte.

Zu sehen sind ausgewählte Werke des 2016 verstorbenen Künstlers Padhi Frieberger, dessen Nachlass sich in österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen im In- und Ausland befindet: Objekte, Collagen, Malerei, Mail Art, und inszenierte Fotografien aus dem Fundus mehrerer Galerien sowie privater Leihgeber.
Zum Entwickeln seiner Arbeiten hat Frieberger Orte abseits der Großstadt bevorzugt, wo er sich im Einklang oder in der Auseinandersetzung mit der Natur künstlerisch entfaltete und austobte. Der blaue Himmel, die grünen, bunten und weißen Wiesen im Wechsel der Jahreszeiten waren Friebergers Farbpalette und zugleich Galerie. Seine in und an Gebäuden realisierten Texte, Collagen und Inszenierungen sind ebenso flüchtige wie magische Momente, die im Zusammenspiel von Wasser und Sonne entstehen und wieder verblassen, wie die Farben des Regenbogens. Was bleibt sind poetische Relikte, die wie Statisten seiner inszenierten Fotografien ihrem Alter trotzend von einer zeitlosen Magie durchdrungen sind.

Auf Einladung von Lorenz Estermann begleiten Elisabeth Foissner, ehemalige Padhi Frieberger Nachlassbearbeiterin des Belvedere, und Annette Tesarek, bildende Künstlerin und Kuratorin, die mit Frieberger in seinen letzten 7 Lebensjahren in künstlerischem Austausch stand, dieses Projekt.

“Destination Jazz”, 1990, 70 x 71cm, Acryl auf Holz
„Kunst kann nicht durch hübsch ersetzt werden“, 1960, 42 x 50cm, Objektcollage
„T“, 1991, inszenierte Fotografie


Peter Noever:
Die heutige Avantgarde junger forschender Künstler versus Padhi.
Geht es darum?
Geht es dabei um die Schnittstelle zeittypischer Vorstellungen und Sehweisen zur Kunst, dem „Sonderuniversum Kunst“?
Padhis Verhältnis zur Kunst ist direkt und bedingungslos.
Gelebte Kunst. Jeder Augenblick seiner Gedanken, seines Tuns und Handelns waren davon gezeichnet.
Die unabdingbare Leidenschaft und Liebe zur Kunst.
Eine tiefe, nahezu schmerzhafte Harmonie, ein beispielloser Einklang mit seiner Kunst war ihm seit je eigen.
Er war am Höhepunkt seiner Zeit, jeglicher Verführung, wie medialem Erfolg, offizieller Anerkennung leistete er ein Leben lang Widerstand.
Er ging sogar so weit, dass er es als eine Anmaßung betrachtete, wenn seine Arbeiten in einer Kunstinstitution zur Schau gestellt wurden (zu seiner Ausstellungseröffnung 2012 in der Kunsthalle Krems kam er nicht).
Er wusste, war davon überzeugt: Kunst ist unbezahlbar. Dementsprechend hat er sich verhalten, sein Leben in Askese organisiert, gelebt.
Er hat sich nicht, nie gebeugt. Er ging seinen Weg unbeirrt und konsequent.

„Ich fühl’ mich als Künstler – sogar als der Künstler. Mein Künstlertum ist für mich wesentlich, es ist auch wichtiger Künstler zu sein, als zu malen.

Hätte ich van Gogh im Wald getroffen, wäre ich zu ihm hingegangen, denn ich hätte sein Genie erkannt. Wahrscheinlich auch seine Fähigkeiten, was er anderen geben und vermitteln kann. Ganz zum Unterschied von irgendwelchen Galeristen oder Kunstgeschichtlern, die brauchen immer Beweise für so einen Anspruch. Das stimmt aber nicht. Ein Künstler ist auch dann ein Künstler, wenn er seine Vorstellungen nicht zur Ausführung bringt…“

Padhi im Gespräch mit Peter Noever, aus: UMRISS 2/83

Vermutlich geht es darum. Gerade auch in einer Zeit, in der Kunst mehr und mehr für Quoten, Unterhaltung und alle möglichen aktuellen gesellschaftsrelevanten Themen und Ereignisse herhalten muss, spendet die Erinnerung an den Dissidenten des Angepassten, den unkorrumpierbaren Nonkonformisten, den Künstler und Pionier – Kraft. Kraft auch, um das was uns heute umgibt, überhaupt dechiffrieren zu können.

http://www.noever-design.com/padhi-frieberger-the-boat-the-bed-and-the-rest-of-the-sky.html


“es ist , was es „isst“”- Sinnobjekt, o.J., Objektcollage
aus der Serie „Hände“, o.J., inszenierte Fotografie
„GROTESK“, 80er Jahre, analoge Farbfotografie, rückseitig collagiert


Annette Tesarek:
Obwohl Padhi Frieberger seit den 1950er Jahren in der österreichischen Kunstszene aktiv und bekannt war, nahm er gegenüber dem Kunstmarkt Zeit seines Lebens eine distanzierte Haltung ein. Er hat die Lebensvisionen, von welchen er überzeugt war, gelebt. Er kann nicht nur als ein Vorreiter der Hippiebewegung, des Vegetarismus und der Grünenbewegung in Österreich, sondern auch als Antipode eines Marketingkünstlers bezeichnet werden.

Aus dieser Nische heraus übte er Kritik, nicht nur an den Mechanismen des Kunstmarktes, sondern entwarf ein eigenes Lebenskonzept, dem er sich selber, bis zuletzt, mit aller Strenge und Konsequenz unterwarf. Dazu gehört auch seine weitgehend vegane Lebensweise, die er über viele Jahrzehnte praktizierte.

Seit der Nachkriegszeit hat er sich vor allem in KünstlerInnenkreisen in Wien und Niederösterreich bewegt und hat seinen nicht stillbaren Schaffensdrang in unterschiedlichen Medien, u.a. Malerei, Bildhauerei, Musik, inszenierter Fotografie, Collagen und Texten ausgelebt. Als Musiker sang und trommelte er in unterschiedlichen Bands und hat zahlreiche ProtagonistInnen der Wiener Kunstszene in seinen Mail Art Collagen verewigt und sein künstlerisches Umfeld postalisch mit diesen Werken versorgt.

Durch seine auffallend farbigen oder karierten Outfits und dazu passende Frisuren oder Kopfbedeckungen würde ich seine Erscheinung als exzentrisch bezeichnen und er war in Kunstkreisen “bekannt wie ein bunter Hund”. Seine Kleidung war mehr als ein Spleen auffallen zu wollen, vielmehr war sie, wie ich es auch selber durch ihn erfahren habe, Ausdruck einer politischen Haltung, die Frieberger bewusst inszenierte. Karierte Hemden, Jeans und Cowboystiefel waren Symbole der amerikanischen Moderne und bedeuteten für ihn unter anderem Freiheit des Denkens und Handelns, politische Freiheit und Freiheit der Kunst. Diese Kleidung hat er an unterschiedlichen Orten und zu verschiedenen Zeiten inszeniert und fotografisch dokumentiert.

Padhi Friebergers künstlerisches Oeuvre ist bisher in seinem ganzen Umfang weitgehend unsichtbar geblieben. Punktuell sind einzelne Werke, Malereien, Collagen, Assemblagen oder Gerümpelskulpturen bei Auktionen, Messen, Galerien oder Museen aufgetaucht, doch wirklich präsent waren seine Arbeiten bisher selten. Ausnahmen waren, so weit es mir bekannt ist, drei Einzelausstellungen: in der Galerie Hummel im Jahr 1981, im Museum für Angewandte Kunst (MAK) in Wien, 2007, und im Forum Frohner, Niederösterreich, 2011. Es hat Präsentationen bei und von Sammlern gegeben, die seine Mail Art oder Skulpturen Jahrzehnte lang gesammelt und zum Teil in Offspaces gezeigt oder in kleinen Publikationen abgedruckt haben. Falco war vielleicht einer seiner prominentesten Sammler, sowie etliche GaleristInnen und KünstlerInnen. Padhi Frieberger war unter anderem mit Friedensreich Hundertwasser und Walter Pichler befreundet, hatte in jungen Jahren eine Liaison mit Maria Lassnig, war in den 50er Jahren Besucher des Vienna Art Club, war in diversen Bandformationen aktiv, hat in den 70er Jahren mit dem Drahdiwaberl Mitglied und Fotografen Marcel Houf (alias: CHAOS oder DER GENERAL) künstlerisch zusammengearbeitet und war Stammgast und Freund des Friseursalons ER-ICH, um nur ein paar ZeitgenossInnen zu nennen.

Sein Werk ist kunstgeschichtlich bisher nur fragmentarisch erfasst und untersucht worden, was unter anderem daran liegt, dass Friebergers Kunst sich den RezipientInnen nicht auf den ersten Blick erschließt, was wiederum auch den Reiz ausmacht, den Relikten seines Schaffens weiter nachzugehen.

O.T., o.J., Objektcollage
O.T., o.J., Objektcollage
Notobjekt 41X, o.J., Objektcollage


Padhi Frieberger 1931 – 2016

1931: geboren in Meidling im Tale bei Krems, NÖ
1945: Verschüttung bei Bombardierung des Bahnhofes von Krems
1951: Kartenabreißer im „Strohkoffer“, Kontakt mit Wiener Kunstszene, musikalische Auftritte, trommelnd auf unterschiedlichen Gegenständen
seit 50er Jahren: Versendung von Mail Art
1959 – 1974: Schloss Hagenberg, Bezirk Mistelbach, NÖ: züchtet dort Tauben,
Treffpunkt für alternative Szenen und Künstler Avantgarde, u.a. Wiener Gruppe, Lebensmittelpunkt und Ort künstlerischen Schaffens: Es entstehen Gerümpel-Objekte, Wandgestaltungen, Texte, Collagen, inszenierte Fotografien und Künstlerporträts zahlreicher Freunde und Persönlichkeiten der österreichischen Kunstszene.
1961 – 1963: Filmauftritte ua. in „Am Rand“ unter der Regie von Ferry Radax
80er Jahre: „FISCHAPARK“, ehemalige Baumwollspinnerei bei Weigelsdorf, abgelegenes Fabriksgelände als Lebens- und Schaffensraum: Entstehung zahlreicher Objekte und Fotografien im Kontext mit der Landschaft, Texte an Wänden sowie inszenierte Fotografien

1981 – 2018 Durch seine konsequent kritische und ablehnende Haltung gegenüber dem etablierten Kunstmarkt erlangte sein Werk bisher nur höchst selten öffentliche Sichtbarkeit in Galerien und Museen. Eine Auswahl:

1981 Einzelausstellung Galerie Julius Hummel
2001 Preis der Stadt Wien für bildende Kunst
2004 MMK Rupertinum – „with love and respect“, Salzburg
2007/ 2008 MAK Museum Wien – „Ohne Künstler keine Kunst”
2011/ 2012 Forum Frohner, Krems – „Glanz und Elend der Moderne”
2018 Landesgalerie NÖ – „Weltberühmt in Krems“


Elisabeth Foissner und Annette Tesarek sind auf den Spuren von Padhi Frieberger auch in Zukunft unterwegs. Als nächster Schritt ist die Erstellung eines Werkverzeichnisses (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) in Planung, ein Forschungsprojekt mit folgendem Arbeitstitel ist angedacht: “Dokumentation der Wiener Kunstszene der Nachkriegszeit von 1945 bis in die 1990er Jahre anhand der Fotosammlung von Padhi Frieberger.”

PADHI NEWS – wenn Sie mehr zu Recherchen über Padhi Frieberger erfahren oder möglicherweise als Zeitzeugin oder Zeitzeuge selber etwas beitragen möchten, kontaktieren Sie uns bitte. Wir freuen uns auf Ihr Feedback:
Annette Tesarek: annette.tesarek@gmail.com
Elisabeth Foissner: e.foissner@a1.net

Kontakt Galerie: Estermann und Messner:
Lorenz Estermann 069919713674 – lorenz.estermann@gmx.at


Impressum:
online Ausstellung Padhi Frieberger: das boot, das bett und der rest des himmels, ab 24.03.2020
Galerie: Estermann und Messner – Lorenz Estermann ● Kuratorinnen: Elisabeth Foissner, Annette Tesarek ● Texte: Annette Tesarek, Peter Noever ● Lektorat: Philipp Levar ● Kunstwerke: Padhi Frieberger ● Fotos: Lorenz Estermann, Annette Tesarek, Marcel Houf, Padhi Frieberger ● Webdesign: Norbert Unfug, Annette Tesarek ● LeihgeberInnen: privat ● Dies ist ein künstlerisches Projekt, es ist kein Anspruch auf Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen gewährleistet.

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